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Am Scheideweg

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie

In Deutschland sind die bisherigen Bemühungen im Ressourcenschutz komplett ins Leere gelaufen. Weder das Kreislaufwirtschaftsgesetz noch das Ressourceneffizienzprogramm haben zu einer Senkung des Ressourcenverbrauchs geführt. Für eine Ressourcenwende brauchen wir eine allumfassende Reform unseres Umgangs mit Ressourcen.
Im Dezember 2024 wurde die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) verabschiedet. Sie kann ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft sein. Dafür muss sie von der neuen Bundesregierung jedoch mit Leben gefüllt werden. Denn zu Recht wird in der Strategie betont, dass Deutschlands derzeitiger Ressourcenverbrauch gravierende globale Umweltauswirkungen verursacht und die zwingende Notwendigkeit besteht, ihn deutlich zu reduzieren. Die daraus abgeleiteten Ziele können, wenn sie ernst genommen werden, den Wandel hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft einleiten. Dafür ist jedoch eine Übersetzung in konkretere und verbindliche Maßnahmen erforderlich, welche die gesamte Abfallhierarchie adressieren. Im Bereich Kreislaufwirtschaft wird das die Aufgabe, an der sich die neue Bundesregierung messen lassen muss.

Echte Kreislaufwirtschaft
Parallel drohen jedoch Entwicklungen im Bereich der CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS; CO2-Deponierung) die Kreislaufwirtschaft zu untergraben. Für einen tatsächlichen Übergang in eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft sind eine Verzahnung mit anderen Strategien wie der Industrie- und der Biomassestrategie und die folgenden Punkte besonders wichtig:

Ziele: Als Orientierungswert gibt die NKWS an, dass der Primärrohstoffverbrauch bis 2045 auf sechs bis acht Tonnen pro Kopf und Jahr gesenkt werden müsse. Dieser Zielkorridor ist grundsätzlich begrüßenswert. Um die gewünschte Lenkungswirkung zu entfalten und Planungssicherheit für die Wirtschaft zu schaffen, muss ein konkretes und verbindliches Reduktionsziel festgelegt und dieses mit ambitionierten Maßnahmen sowie konkreten Zwischenzielen bis 2030 unterlegt werden. Dabei sollte sich die Bundesregierung an den Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung orientieren.

Rechtlicher Rahmen: Ohne entsprechenden rechtlichen Rahmen wird die Kreislaufwirtschaftsstrategie nur eine begrenzte Wirkung entfalten. Die NKWS sieht eine Prüfung vor, wie zentrale Ziele und ihr Monitoring auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden können. Konkret brauchen wir ein Ressourcenschutzgesetz mit einem verbindlichen und klaren Reduktionspfad. Darin müssen sektorspezifische Ressourcenschutzziele, Zeitrahmen, Berichtspflichten, Monitoring und Sanktionen bei Nichterreichung festgelegt werden.

Lineares Wirtschaften beenden: Die Erhöhung der Kreislaufmaterialeinsatzrate (CMUR) und die verstärkte Nutzung von Sekundärrohstoffen gehören zu den zentralen Zielsetzungen der NKWS. Mit der Verdopplung der CMUR bis 2030 wird jedoch lediglich das EU-Ziel auf die nationale Ebene übertragen. Deutschland liegt derzeit (2023) bei knapp 14 Prozent, so viel aller genutzten Rohstoffe stammen aus dem Recycling. Dass es besser geht, zeigen bereits heute Länder wie Italien (21 %) oder die Niederlande (31 %). Um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren, ist also ein ambitionierteres Ziel nötig, das künftig mit Nachdruck verfolgt und durch Maßnahmen zur Förderung des Einsatzes von schadstofffreien Rezyklaten flankiert werden muss. Kreisläufe können jedoch nur geschlossen werden, wenn ressourcenschonende und abfallsparende Lösungen wie Unverpackt- und Mehrwegsysteme, Sharing-Modelle und andere produkterhaltende Systeme verbindlich in die Breite getragen werden.

Es braucht Suffizienz und Effizienz: Die NKWS droht, die gleichen Fehler wie das Ressourceneffizienzprogramm zu machen. Es sind weiter vor allem Maßnahmen zur Steigerung der Materialeffizienz, des Recyclings und zur Unterstützung zirkulärer Geschäftsmodelle sowie zur Förderung von Forschung und Innovationen vorgesehen. Diese Maßnahmen sind wichtig, reichen aber bei Weitem nicht aus, um die Leitziele der NKWS zu erreichen und tatsächlich Primärressourcen in relevantem Maß einzusparen. In allen Handlungsfeldern müssen Maßnahmen zur Vermeidung, Wiederverwendung, Haltbarkeit und Reparatur im Sinne der Abfallhierarchie klar priorisiert und entsprechend stärker gefördert werden. Es braucht vor allem Maßnahmen, die auf die Reduzierung des Bedarfs abzielen. Dazu gehören etwa die Verringerung des Individualverkehrs oder der Ausbau poolfähiger Mehrwegsysteme. Hier liegt das ungehobene Potenzial der NKWS.

Finanzierung: Während die in der NKWS vorgesehenen Maßnahmen einerseits nicht ausreichen werden, um die nötige Verbrauchsreduktion zu erreichen, ist andererseits überhaupt nicht klar, ob diese Maßnahmen umgesetzt werden. Deshalb ist es – auch für die wirtschaftliche Planbarkeit – zentral, dass sich die neue Bundesregierung zur NKWS bekennt und dafür vorgesehene Haushaltsmittel tatsächlich zur Verfügung stellt. Die in der NKWS beschriebenen ökonomischen Instrumente zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft reichen nicht aus. Es braucht zusätzlich fiskalische Elemente, wie zum Beispiel die Besteuerung von Einwegverpackungen sowie den Abbau von fossilen Subventionen wie dem Dienstwagenprivileg oder der Steuervergünstigung für tierische Produkte. Solche Einnahmen könnten zirkuläres Wirtschaften finanzieren und die gewünschte Lenkungswirkung entfalten. Um eine langfristige Finanzierung der Transformation sicherzustellen, müssen neben Haushaltsmitteln auch Herstellerabgaben im Rahmen einer umfassenden erweiterten Herstellerverantwortung eingeführt und zweckgebunden für die Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden.

Umsetzung: Die Einrichtung einer Plattform für Kreislaufwirtschaft, die Entwicklung einer „Roadmap 2030“ und der Aufbau eines Monitoring- und Evaluationssystems sind essenziell für die erfolgreiche Umsetzung der NKWS. Neben Vertreter*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft muss auch die Zivilgesellschaft aktiv in diesen Prozess einbezogen werden.

CCS verhindert den Kreislauf
Um die planetaren Leitplanken zu respektieren, brauchen wir einen systemischen Umbau unserer Wirtschaft. Ein Weiter-so führt aktuell und auch in zukünftigen Szenarien zu viel zu hohen Emissionen. Doch statt die Transformation voranzubringen, fokussieren sich Teile der Politik und Industrie auf Scheinlösungen wie CCS. Mittels CCS an industriellen Anlagen wie Müllverbrennungsanlagen sollen vermeintlich unvermeidbare Emissionen extrem energieintensiv abgefangen und deponiert werden. Diese »Pseudovation« aus den 1960er-Jahren birgt jedoch erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken und längst bekannte weitere unkalkulierbare Risiken und Grenzen mit sich, die jedoch in der öffentlichen Diskussion unterschätzt werden. Aktuelle Pläne der Industrie zielen auf den Aufbau einer bundesweiten CCS-Infrastruktur und nicht auf echten Ressourcen- und Klimaschutz.
Eine milliardenschwere CCS-Förderung würde den sozial-ökologischen Umbau erschweren und alle Risiken sowie Verantwortung auf die nächsten Generationen verschieben. Wenn Kreislaufwirtschaft und Abfallkrise ernst genommen werden, müssen Fördermittel gezielt für Maßnahmen am Anfang der Wertschöpfungskette ausgegeben werden, die im Gegensatz zu CCS bereits vorhanden sind und funktionieren. Statt teuer das teilweise Abfangen und Transportieren der Emissionen bei der Verbrennung von Müll zu fördern, sollte alles getan werden, um weniger Müll zu produzieren. Im Siedlungsabfall sind fast 70 Prozent vermeidbare und recycelbare Wertstoffe wie etwa Bioabfall, Holz und CO2-intensive Kunststoffe enthalten. Dafür braucht es eine optimierte Sammelinfrastruktur, unter anderem eine bundesweit verpflichtende Bioabfalltonne, die Einführung von Restmüllnachsortierung und natürlich umfassende Design-for-Recycling-Vorgaben. Günstig und am ressourceneffizientesten sind ebenso die Ausweitung einer bundesweiten öffentlichen Trinkbrunnen- sowie Mehrweg-Infrastruktur.

Vermeidbare Unvermeidbarkeit
Aktuell ist faktisch nur ein Drittel echter Restmüll und damit unvermeidbar. Er verursacht im Vergleich zur Kunststoffverbrennung zudem nur einen Bruchteil an Emissionen, dennoch bewerten Teile der Politik und Industrie die Gesamtemissionen der Abfallverbrennung als „unvermeidbar“. Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen sollten vor einem CCS-Aufbau zunächst alle nach aktuellem Stand der Technik verfügbaren Mittel ausgeschöpft werden (vgl. S. 108 ff.). Für den Abfallsektor heißt das, die zuvor genannten Maßnahmen umzusetzen. Tatsächlich unvermeidbar ist nur ein Bruchteil der jetzigen Emissionen, für deren Entsorgung sicher keine milliardenteure Infrastruktur lohnt, sondern die mit natürlichen Senken kompensiert werden können. Positive Nebeneffekte wie Artenschutz wären inklusive.
Deutschland braucht echte Kreislaufwirtschaft statt Ressourcenkollaps. Neben der ökologischen Notwendigkeit birgt sie weitere Vorteile; Tausende neue zukunftsfähige Arbeitsplätze, Bruttowertschöpfungssteigerung, Förderung kleiner und mittelständiger Unternehmen sowie die Senkung der Rohstoff-Importabhängigkeit. Investitionen in die Kreislaufwirtschaftsinfrastruktur spielen eine zentrale Rolle für die Zukunft der EU. Sicherheit, Wohlstand und Freiheit können wir nur mit echtem Ressourcenschutz erreichen.

Janine Korduan und Benedikt Jacobs: Am Scheideweg. Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie. In politische ökologie (Bd. 180): Feldversuche. Wege zu nachhaltiger Landnutzung, S. 112-115, oekom verlag, München 2025.