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24. September 2019

Ressourcenpolitik: Ökodesign gibt richtige Richtung vor

Neue Regeln sind ein Anfang, aber die notwendige Rohstoffwende ist noch nicht in Sicht

Angesichts aktueller Prognosen und der massiven Auswirkungen des Rohstoffkonsums müssen Deutschland und die EU weitere Maßnahmen ergreifen, um den Ressourcenverbrauch absolut zu senken: Die Überarbeitung der Rohstoffstrategie und das neue Ressourceneffizienzprogramm bieten dazu Gelegenheit. Aber die Pläne reichen noch nicht, um einen echten Wechsel einzuläuten.

In diesen Wochen verabschiedet die EU-Kommission eine Reihe neuer Ökodesignverordnungen, die erstmals auch Kriterien für die Materialeffizienz von Elektro- und Elektronikgeräten beinhalten. Auf diese Weise soll das EU-Ökodesign in Zukunft nicht nur die Energieeffizienz von Produkten verbessern, sondern auch ihre Nutzungsdauer verlängern. Eine verlängerte Nutzungsdauer ist eine wichtige Strategie zur Reduktion des Rohstoffverbrauches. Eine Rohstoffwende mit einer absoluten Reduktion unseres Ressourcenkonsums ist notwendig, allerdings kann Ökodesign hierbei nur der Anfang sein.

Konkret verpflichtet die EU HerstellerInnen ab 2021 dazu, dass Produkte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen einfacher zu reparieren und zu recyceln sein müssen. HerstellerInnen müssen sich daher stärker als bisher mit der Nutzungsdauer ihrer Produkte auseinandersetzen. Die neuen Anforderungen legen unter anderem fest, dass Ersatzteile und Reparaturinformationen einfacher zugänglich und Produkte gut recycelbar sein müssen. Auch wenn die Maßnahmen bisher nur elf Produktgruppen betreffen und noch nicht weit genug gehen, setzen sie ein wichtiges Zeichen: Sie erkennen an, dass die Umweltauswirkungen eines Produkts nicht nur vom Energieverbrauch im Laufe der Nutzungsdauer, sondern auch vom Ressourcenaufwand bei der Produktion abhängen. Betrachtet man den gesamten Lebensweg des Produkts, so entsteht die größte Umweltbelastung tatsächlich meist bereits bei der Herstellung – unabhängig vom Energieverbrauch, der später während der Nutzung entsteht. Ein Produktdesign, das eine lange Produktlebensdauer ermöglicht, ist deshalb aus umweltpolitischer Perspektive von großer Bedeutung.

Geringerer Rohstoffverbrauch trägt auch zu globaler Gerechtigkeit bei

Die Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen unter anderem für Elektronikprodukte verursachen eine Reihe immenser Umweltauswirkungen und stehen häufig in enger Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen im globalen Süden. Die Reduktion des Rohstoffverbrauches ist daher auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit.

Allein das für die Herstellung eines einzelnen Smartphones verwendete Gold – nur eines von circa 30 Metallen, aus denen es besteht – verursacht bereits circa 100 Kilogramm Abraum, der häufig landwirtschaftliche Flächen vernichtet, indem er Böden überdeckt und verseucht. Verschmutzungen machen das Wasser weiter Einzugsgebiete unbrauchbar. Menschen werden zwangsumgesiedelt, verlieren ihre Ackerflächen und den Zugang zu sauberem Trinkwasser. Proteste lokaler Bevölkerung aufgrund der Umwelt- und Gesundheitsbelastungen werden häufig gewalttätig niedergeschlagen. Allein in Peru gab es laut der lokalen Ombudsbehörde in den vergangenen zehn Jahren 270 Tote und über 4.600 Verletzte bei sozialen Konflikten, die zum Großteil mit dem Bergbau in Zusammenhang stehen. Zahlreiche freiwillige Nachhaltigkeitsstandards haben daran nichts geändert.[1] Die Zahlen und Auswirkungen vor Ort haben eine zentrale Botschaft: Der derzeitige Rohstoffkonsum gefährdet schon heute Lebensgrundlagen und die Existenz breiter Bevölkerungsschichten im globalen Süden. Zudem trägt laut dem OECD Material Resources Outlook 2019 allein die Förderung und Verarbeitung der sieben meistgenutzten Metalle bis zu sieben Prozent zum weltweiten Treibhausgasausstoß bei.

Nutzen und Schäden ungleich verteilt

Die ökologischen und sozialen Folgeschäden des Rohstoffkonsums sind immens und zugleich international ungerecht verteilt, denn während die Abbauländer des globalen Südens von den Umweltschäden am stärksten betroffen sind, konsumieren die Industrieländer im globalen Norden die meisten Rohstoffe. Der durchschnittliche Material-Fußabdruck eines Menschen aus einem Industriestaat liegt bei 27 Tonnen im Jahr und ist damit 13-mal höher als der eines Menschen, der in einem der „Least Developed Countries“ (LDC) lebt.(2) Damit entfallen gerade einmal drei Prozent des weltweiten Rohstoffkonsums auf LDC. Um ein global gerechteres Maß zu erreichen, müssen Industrienationen ihren Rohstoffkonsum drastisch und absolut reduzieren.

Der weltweite Rohstoffverbrauch wird sich nach Prognosen der OECD allerdings bis 2060 fast verdoppeln. Einen zentralen Beitrag hierzu werden auch die Digitalisierung und der Ausbau von erneuerbaren Energien und Elektromobilität leisten. Eine neue Studie der Organisation Earthworks verdeutlicht: Der Ausbau von Zukunftstechnologien gelingt nur mit einem deutlichen „Mehr“ an strategischen Rohstoffen wie Lithium, Nickel, Kupfer, Kobalt, Silber und Seltenen Erden. Ein konsequenter Umstieg auf Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien bis 2050 würde die Nachfrage nach Kobalt um 420 Prozent, nach Lithium um 280 Prozent und nach Nickel um 140 Prozent erhöhen – eine Nachfrage, die seitens der derzeit bekannten Lagerstätten nicht gedeckt werden kann.

Trotz des zu hohen Rohstoffverbrauchsniveaus gelingt es Deutschland nicht, seinen Konsum zu senken. Das mag auch daran liegen, dass der Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung nicht einmal darauf abzielt, diesen zu messen. Worauf die Bundesregierung vor allem setzt, ist die Ressourceneffizienz. Doch auch wenn dank effizienterer Produktion pro Wirtschaftsleistung weniger Ressourcen verbraucht werden, steigt der Gesamtverbrauch von Ressourcen an. Indem die Bundesregierung ausschließlich den Ressourcenverbrauch pro Einheit Wirtschaftswachstum bemisst, vertuscht sie diese Entwicklung. Angesichts der Auswirkungen unseres Rohstoffkonsums muss die Bundesregierung hier endlich umsteuern und sich klar zu einer wirklichen Reduktion unseres Ressourcenkonsums bekennen.

Schwerpunkt Recycling geht am Problem vorbei – längere Nutzungsdauer nötig

Die EU will mit ihrem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft – worunter auch die Ökodesignregelungen fallen – einen schonenderen Umgang mit Ressourcen erreichen. Darin stellt sie auch fest, dass sich Kreislaufwirtschaft nicht auf Recycling beschränken darf. Dies passiert in Deutschland noch viel zu häufig, auch wenn das Kreislaufwirtschaftsgesetz von 2012 eigentlich eine andere Maßnahmenhierarchie definiert. Demzufolge ist Recycling nach Reduktion und Wiederverwendung erst der drittbeste Weg, da es viel Energie verbraucht und nur ein Bruchteil der Metalle wiedergewonnen werden kann. Niedrige Sammlungsquoten (35 Prozent bei Elektronikgeräten in Europa) führen außerdem dazu, dass viele Rohstoffe dem Recyclingkreislauf gar nicht zugeführt werden. Darüber hinaus können aufgrund verschiedener thermodynamischer Grenzwerte nur einzelne Metalle mit hohem Energieaufwand gewonnen werden. Die zunehmende Miniaturisierung von Geräten, die zwar aus Ressourceneffizienzgründen zunächst zu begrüßen ist, macht Geräte oft noch schwerer zu reparieren und zu recyceln. Kreislaufwirtschaft muss anders gedacht werden, um einen sozial gerechten und ökologischen Ressourcenverbrauch zu erreichen.

Recht auf Reparatur reduziert Rohstoffverbrauch

Auch wenn effiziente Recyclingmethoden wichtig sind, muss die Priorität auf einer langen Nutzung von Geräten und einer allgemeinen Reduktion unseres Rohstoffbedarfs liegen. Ökodesign muss dabei noch viel weiter gefasst werden und beispielsweise Weichen für ein Recht auf Reparatur stellen sowie dafür sorgen, dass Hersteller unabhängige Reparateure beim Zugang zu Ersatzteilen und Diagnosesoftware nicht diskriminieren. Auch Softwareupdates müssen berücksichtigt werden, da sie oft das Ende einer Produktnutzung bedeuten. Weitere Maßnahmen müssen Anreize für qualitativ hochwertige Produkte und eine lange Nutzung schaffen. Das kann zum Beispiel durch eine Mehrwertsteuerreduktion auf Reparaturdienstleistungen geschehen, die die Kosten für Reparaturdienstleistungen allgemein reduzieren und eine lange Nutzung erleichtern kann.

Eine Kreislaufwirtschaft allein wird es jedoch nicht schaffen, unseren Ressourcenkonsum absolut zu senken. Wir müssen neben modularem Design und einer Verbesserung der Sammlung unseren Bedarf an Rohstoffen an sich senken. Die Rohstofffrage muss auch im Kontext der Digitalisierung, Elektromobilität und der Energiewende zentral mitgedacht werden. Beispielsweise wird Elektromobilität ohne eine gleichzeitige drastische Reduktion der Fahrzeuge insgesamt zu verheerenden Folgen führen – lokal wie global.

Gelegenheit neuer Strategien nutzen

Derzeit verfasst die Bundesregierung eine neue Rohstoffstrategie und ein neues Ressourceneffizienzprogramm. Beide Strategien müssen die absolute Reduktion des Ressourcenkonsums zum Ziel erklären und konkrete Maßnahmen entwickeln, etwa Rohstoffsteuern. Die Rohstoffstrategie muss die Sicherung von Existenzgrundlagen zum obersten Ziel haben. Verbindliche Sorgfaltspflichten im Rahmen der Rohstoffbeschaffung sind hier ein wichtiger erster Schritt. Zugleich darf nie vergessen werden, dass Rohstoffabbau immer irreversible Auswirkungen auf die Umwelt hat und gewisse Ökosysteme so empfindlich sind, dass in ihnen kein Bergbau stattfinden kann, ohne sie zu zerstören. Handelspolitik in diesem Rahmen muss gerecht gestaltet und die Umsetzung von Umweltschutz und Menschenrechten sicherstellen.(3)


[1] Sydow, J., Reichwein, A. (2018): Governance of minerals supply chains in the electronic devices.
www.germanwatch.org/de/15532
[2] International Resource Panel (2019): Global Resources Outlook 2019. Natural Resources for the Future we want. UNEP (Hrsg.).
https://wedocs.unep.org/handle/20.500.11822/27517
[3] Gemeinsame Stellungnahme des AK Rohstoffe:
Eckpfeiler einer zukünftigen Rohstoffstrategie.
www.germanwatch.org/de/16410

Dieser Beitrag erschien zuerst in umwelt aktuell 6 – 2019

Autor*in:
Katrin Meyer und Johanna Sydow

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