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Ressourcenwende | Koalition für eine Ressourcenwende?
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18. Januar 2022

Koalition für eine Ressourcenwende?

Unter dem Stern der sozial-ökologischen Marktwirtschaft wurde der Koalitionsvertrag der SPD, dem Bündnis 90/ Die Grünen und der FDP im Dezember 2021 unterzeichnet. Mehr Fortschritt wagen so der Titel. Im Folgenden wird betrachtet, ob auch ein Fortschritt für die Ressourcenpolitik in Aussicht ist.

Für die Ressourcenwende ist das klare Bekenntnis zur notwendigen Reduktion des primären Rohstoffverbrauchs ein großer Erfolg, denn laut Koalitionsvertrag, sollen dafür klare Ziele definiert und der rechtliche Rahmen angepasst werden. Das hatten wir als Netzwerk Ressourcenwende in unserem Policy Brief zur Bundestagswahl gefordert. Auch wenn die Formulierung im KV sehr vage sind und viel Interpretationsspielraum lassen, ist eine wichtige Grundlage gelegt, auf welcher die Ressourcenwende aufbauen kann. Als Netzwerk-Ressourcenwende werden wir dafür streiten, dass dieser die Umsetzung möglichst progressiv geschieht. Das Kapitel zur Kreislaufwirtschaft enthält weitere wichtige Signale wie die angestrebte Kreislaufwirtschaftsstrategie. Es ist die Rede von digitalen Produktpässen, längerer Produktlebensdauer, Recht auf Reparatur, Herstellerverantwortung, Stoffkreisen, weniger Verpackung, einem europaweiten Ende der Deponierungen von Siedlungsabfällen und Level-Playing-Field für Plastik-Rezyklate. An dieser Stelle zeichnet sich auch eine klare Position gegen illegale Abfallexporte. Insgesamt nähert sich das Verständnis der Kreislaufwirtschaft immer mehr dem der Circular Economy, welches versucht die Probleme am Anfang der Wertschöpfungskette zu adressieren.

Im Widerspruch dazu steht unter anderem die geplante Stärkung der ungebundenen Finanzkredite. Dieses Instrument dient ausschließlich der nationalen Sicherung uns Ausweitung des Primärrohstoffbedarfs außerhalb Europas. In der Vergangenheit führte es zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen. Besonders im Abschnitt zur Transformation der Automobilindustrie ist ein einseitiger Ausbau der Elektromobilität geplant. Es wird lediglich das Recycling von Batterien angedeutet. Für den Ressourcenschutz braucht es jedoch eine Mobilitätswende, die sowohl die Gesamtmenge als auch das Gewicht der Fahrzeuge im Individualverkehr reduziert. Genauso kommt im Abschnitt maritime Wirtschaft nur das Schiffsrecycling zu Sprache und auch dem Tiefseebergbau wird im Kapitel Meeresschutz keine klare Absage erteilt. Viel mehr heißt es: „Wir setzen uns international für strenge Umweltstandards und die verbindliche Überprüfung der Umweltverträglichkeit im Tiefseebergbau ein und werden die Meeresforschung fortführen, um das Wissen über die Tiefsee auszuweiten“ (Seite 40). Bedeutet, vorerst ist kein Moratorium geplant. Dies lässt fragen, wie ernst es die Bundesregierung mit der geplanten Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs wirklich meint.

Im Unterkapitel zu digitaler Infrastruktur sollen zwar klimaneutrale Rechenzentren, der Blaue Engel Standard und die Reduktion von Ressourcen durch digitale Zwillinge gefördert werden, doch bleiben mögliche Rebound-Effekte unerwähnt.
Vielversprechend klingt die Innovationsförderung des Bundes, welche „für soziale und ökologische Innovationen konsequent geöffnet werden“ soll (Seite 31). Unter anderem sollen KI, Wasserstoff, Bioökonomie, nachhaltige Mobilität und Kreislaufwirtschaft davon profitieren.
Unklar bleibt jedoch, ob in der Wohlstandsberichterstattung, die künftig Teil des Jahreswirtschaftsberichts wird, Ressourcenpolitik eine Rolle spielen wird.
Im Unterkapitel Rohstoffe, Lieferketten und Freihandel werden heimischer, nachhaltiger Rohstoffabbau, einer Modernisierung des Bergrechtes erwähnt und auch hier wird das Potential des Recyclings betont. Was genau mit einer Modernisierung des Bergrechts gemeint wird bleibt jedoch unbeantwortet.
Außerdem spricht sich die die Ampel-Koalition für ein EU-Lieferkettengesetz und entwaldungsfreie Lieferketten aus und möchte Menschenrechte im Handel stärken. Dementsprechend möchte die neue Regierung den nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte nach dem Lieferkettengesetz überarbeiten und sich gemeinsam mit Gewerkschaften, Unternehmen und Zivilgesellschaft weltweit faire Arbeitsbedingungen einsetzen. Abkommen wie die Afrikanische Freihandelszone soll bei der Errichtung nachhaltiger Wertschöpfungsketten unterstützt werden. Jedoch werden koloniale Kontinuitäten nur im Kontext von Kulturpolitik genannt.
Die drei Parteien festigen Wohnen als Grundbedürfnis und setzen sich dafür ein, „dass ausreichend Wohnraum geschaffen wird und das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral und barrierearm wird“ (Seite 66). Das steht gleich zweimal im Vertrag und für den Themenbereich wird ein neues Ministerium gegründet. Außerdem soll u. A. ein Bündnis mit dem Namen bezahlbarer Wohnraum mit wichtigen Akteur*innen geschaffen, ein digitaler Gebäuderessourcenpass eingeführt, systematisch nutzbare Sanierungsfahrpläne angestrebt und eine nationale Holzbau-, Leichtbau- und Rohstoffsicherungsstrategie aufgestellt werden. Der Koalitionsvertrag hält fest, 400.000 Wohnungen neu zu schaffen, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Insbesondere öffentlich geförderter Wohnraum ist begrüßenswert. Doch die fehlenden klaren Vorgaben für die Stärkung von Umbau, Umnutzung und energetischer Modernisierung im Bestand drohen den Ressourcen- und Flächenfraß weiter anzuheizen.

Fazit:
Insgesamt weist der Koalitionsvertrag im Bereich der Ressourcenpolitik durchaus gemischte Signale auf. Klar positiv zu benennen ist das Bekenntnis zur Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs und viele Maßnahmen im Bereich der Kreislaufwirtschaft.
Gleichzeitig wird keine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum oder Industrieumbau angedeutet. Auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit tauchen unter. Nun kommt es auf die konkrete Umsetzung an.

Weiterführende Lektüre zum Koalitionsvertrag:

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/bundestagswahl/bund_Analyse_BewertungKoaV.pdf

https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Politik/WWF-Bewertung-Koalitionsvertrag-2021.pdf

https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwelthilfe-ampel-koalition-plant-einige-deutliche-fortschritte-aber-auch-dramatische-feh/

https://www.germanwatch.org/de/21248

https://taz.de/Rohstoffpolitik-im-Koalitionsvertrag/!5817914/


Autor*innen:
Timea Campedelli
Benedikt Jacobs