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9. Januar 2020

Klimabewusst bauen mit Strohballen und Lehm

Architektin Friedericke Fuchs gibt einen Einblick in die Strohbauweise

Friederike Fuchs trinkt gut gelaunt einen Kaffee in ihrer Küche in ihrem Strohballenhaus in Müncheberg, 50 Kilometer östlich von Berlin. Die Aussicht auf die Landschaft der Märkischen Schweiz ist spektakulär. Für sie ähnelt die Landschaft und der Blick auf den Nachthimmel dem Naturraum der Rhön – dort ist sie aufgewachsen. Seit 14 Jahren baut sie Häuser mit Strohballen als Dämmstoff.

Friederike Fuchs‘ strohgedämmtes Wohnhaus hat abgerundete Außenwände und einen Dachüberstand als Regenschutz. Der warme Farbton und die strukturierte Oberfläche der Innenwände sind typische Merkmale beim Einsatz von Lehmputz. Frau Fuchs arbeitet mit der Bauingenieurin Britta Imhoff zusammen. Beide sind gelernte Zimmerinnen und kennen sich seit dem ersten Lehrjahr der gemeinsamen Ausbildungszeit. 2007 haben sie ihre Bürogemeinschaft „STROH unlimited“ gegründet. Seit ihrem Umzug in die Märkische Schweiz arbeitet Fuchs in den neuen Büroräumen im zehn Kilometer entfernten Buckow, während Imhoff das Neuköllner Büro nutzt. Sie teilen sich die Verantwortlichkeiten auf. Die Architektin übernimmt Entwurfs- und Ausführungsplanung sowie den Bauantrag, die Bauingenieurin berechnet die Statik und erstellt die Nachweise gemäß EnEV.

Baustrohballen

Argumente für den Einsatz von Strohballen als Dämmstoff gibt es zahlreiche. Der Rohstoff Stroh ist einfach herzustellen, nachwachsend und regional verfügbar. Zudem steht er nicht in Flächenkonkurrenz zum Anbau von Nahrungsmittelpflanzen. Die ausgedroschenen, trockenen Getreidehalme haben beim Wachstum Kohlenstoffdioxid (CO2) gespeichert und begrenzen somit die Klimaerwärmung. Um Strohwände vor Regenwasser zu schützen, werden diese auf einem Sockel errichtet. Nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) ist Stroh bei einer fachgerechten Bauweise – fest gepresst, lückenlos verbaut und dicht verkleidet − gegen Brand, Feuchte und Schädlingsbefall geschützt. Beispielsweise erreichen Baustrohballen aufgrund der deutlich schlechteren Entzündbarkeit von fest gepresstem Stroh die Baustoffklasse „normal entflammbar“ (nach DIN 4102-B2).

In Deutschland und im Ausland hat Fuchs viele Projekte mit diesem Baustoff realisiert. Die Strohballenhäuser, die sie in Deutschland baut, werden in Holzständerbauweise errichtet. Das ist eine Holzrahmen-Bauweise, bei der die Strohballen keine tragende Funktion übernehmen. Stattdessen wird das Stroh als ausfachender Wärmedämmstoff in Gefachen in die Konstruktion eingebunden. Das bedeutet, dass Strohballen aufrecht stehend in den Raum zwischen eng stehenden Holzbalken eingebaut und nach dem Stroheinbau verdichtet werden.

Gestaltungs- und Mitmachmöglichkeiten beim Strohballenbau

Die 50-jährige Architektin hat etwa 40 Häuser in Strohbauweise geplant. Ihre Stimme klingt ruhig und selbstsicher. Enthusiastisch beschreibt Fuchs verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten: „Stroh lässt sich in Kurven und Rundungen verbiegen. Eine verputzte Strohwand kann von außen wie eine verputzte Felssteinwand wirken, die ein leichtes Licht- und Schattenspiel, eine leichte strukturierte Oberfläche behält.“ Die Wirkung des Lehmputzes auf das Raumklima fasst die Planerin wie folgt zusammen: „Die Raumfeuchte wird auf angenehme 50 Prozent gehalten, Gerüche und Schadstoffe werden gebunden.“

Zum Strohballenbau hat Fuchs zufällig während des Studiums gefunden. Die Erinnerung an die entscheidende Situation beflügelt ihre Worte: „Auf einer Lehm-Messe habe ich einen Stand zum Thema Strohballenbau mit vielen Fotos von einer Workparty gesehen, bei der in den USA ein Haus von 20 Leuten an einem Wochenende errichtet wurde. Das war eine Initialzündung. Das brauchte außer diesen Bildern gar keine Worte mehr, um mich in den Bann zu schlagen, und zu wissen, dass ich das verfolgen will.“ Während der Phase des Rohbaus bieten die Baufachfrauen bei den meisten Vorhaben Mitmachbaustellen an, bei denen Interessierte unter Anleitung beim Aufbau der Strohballendämmung mithelfen. Für Fuchs sind diese Workshops ein großer Vorteil von Strohballenhäusern: „Mit entsprechendem Werkzeug, mit entsprechender Qualitätskontrolle, lässt sich das schnell vermitteln und die Leute haben Spaß.“ Diese Mitarbeit kann beim Stroheinbau sowie bei der ersten Lage Lehmputz stattfinden, die von Hand einmassiert wird. Ihrer Meinung nach profitieren Bauherren davon, dass die Arbeiten relativ kostengünstig erledigt werden. Außerdem sei das ein schöner Prozess. „Schon öfter haben Leute gesagt: Das war im Baujahr die beste Woche, als die Workshop-Leute da waren“, ergänzt die Architektin. „Das Ankoppeln eines sozialen Prozesses ans Bauen ist etwas, das in vielen Regionen der Welt und Epochen beim Bauen selbstverständlich war“, hebt sie hervor.

Strohbauweise mit allgemein bauaufsichtlicher Zulassung

1999 wurde in Deutschland die erste Baugenehmigung für Strohballenbauweise erteilt. In dieser Anfangszeit haben die oberen Landesbaubehörden für jedes Strohballenbauprojekt innerhalb eines Bundeslandes eine Einzelfallentscheidung getroffen. Deshalb waren Auftraggeber für Projekte dieser Bauart oft unsicher, ob eine Genehmigung erteilt wird. Fuchs beschreibt die Pionierzeit: „Natürlich war eine Einzelfallgenehmigung immer ein bisschen mit einem Fragezeichen behaftet, dass man sagte, in der Regel kriegt man das genehmigt, aber man muss es jedes Mal neu versuchen.“ Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) ist für die Zulassung von nicht geregelten Bauprodukten und Bauarten zuständig. Für den Einsatz in Gefachen mit lichten Abmessungen bis einem Meter hat das DIBt 2006 eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für den Wärmedämmstoff Baustroh erteilt. Zulassungsinhaber ist der Fachverband Strohballenbau e.V. (FASBA), vertrieben wird Baustroh von der BauStroh GmbH. Acht Jahre später hat der FASBA die bautechnischen Nachweise für eine Erweiterung der Zulassung erbracht, so dass die Konstruktionsart direkt mit Lehm oder Kalk verputzt und auch mit Plattenwerkstoffen verkleidet als allgemein anerkannt gilt. Im Juni 2017 hat das DIBt eine Europäische Technische Bewertung für Baustroh ausgestellt (ETA-17/0247). Diese ersetzt die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung von 2014.

Fuchs‘ Arbeitskollegin Britta Imhoff gehört dem amtierenden Vorstand des 2002 gegründeten FASBA an. Sie findet, dass Bauanträge einfacher geworden sind. Die bauaufsichtlichen Zulassungen führen ihrer Meinung nach dazu, „dass es normal wird“ mit Strohballen zu bauen.

Rückblick auf Ausbildungszeit

Imhoff und Fuchs haben ihre Lehre in unterschiedlichen Ausbildungsbetrieben in Berlin-Kreuzberg absolviert. Beide Unternehmen gehörten zu den wenigen Betrieben, die Anfang der 1990er-Jahre Frauen aufgenommen haben. Die Ausbildung fand in den Betrieben und in einem Lehrbauhof statt. An diesem Bauhof wurden Lehrlinge aus verschiedenen Betrieben in vierwöchigen Kursen unterrichtet. Über Fuchs sagt sie: „Wenn sie Ideen hat, versucht sie diese umzusetzen.“ Beispielsweise hatte sie auf dem Lehrbauhof durchgesetzt, dass die Frauen im selben Kurs waren. „So haben wir uns kennengelernt“, ergänzt Imhoff. Sie schätzt an ihrer Kollegin, dass sie kompetent, zuverlässig, engagiert und „sehr vernetzt mit anderen“ ist.

Ende der 1980er-Jahre ist Fuchs nach West-Berlin gezogen. Im Rückblick auf die Zeit der Ausbildung weiß sie: „Schon bei einer Weiterbildung und der Betriebsauswahl habe ich nach ökologischen Baubereichen geguckt und mich da fortgebildet.“ Nach der Lehrzeit und dem Architekturstudium hat Fuchs als freie Mitarbeiterin gearbeitet und 2005 eine Ausbildung zur Strohbauanleiterin bei Barbara Jones absolviert. Jones hat die in den USA seit über 100 Jahren eingesetzte lasttragende Konstruktion („Nebraska-Technik“) weiterentwickelt.

Ausblick

Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass das Potenzial für die Strohbauweise enorm ist. Im Jahr 2011 hat die Agentur für Bauqualität (AQC) das Regelwerk „Règles professionnelles de construction en paille“ (Règles Pro CP2012) genehmigt. Nach Angaben von Gabriel Martinez, Koordinator des französischen Netzwerks für Strohballenbau (Réseau Français de la Construction en Paille) gilt die Strohbauweise seitdem als gängige Bautechnik in Frankreich. Martinez bestätigt, dass in Frankreich bisher landesweit 5.000 Strohballenhäuser gebaut wurden. In Deutschland wurden währenddessen viel weniger strohgedämmte Häuser gebaut. Schätzungen zufolge wurden bisher in Deutschland 400 Strohballenhäuser errichtet, teilt Adina Lange (Vorstandsmitglied im FASBA) auf Nachfrage mit. Laut der Broschüre „Strohgedämmte Gebäude“ der FNR wird ein Fünftel des in der Landwirtschaft jährlich anfallenden Strohs nicht benötigt. Aus Sicht der FNR reicht diese Menge aus, um bis zu 350.000 Einfamilienhäuser zu dämmen (siehe S. 7, aktualisierte Auflage von 2017).

Seit 2014 wohnt Fuchs in ihrem selbst geplanten Strohballenhaus. Im selben Jahr hat der FASBA eine Strohbaurichtlinie (Strohbau-RL) veröffentlicht – das aktuelle Regelwerk für die fachgerechte Ausführung für Strohballenhäuser in Deutschland. Seitdem hat das Interesse an der Strohbauweise zugenommen. Beispielsweise berichtet eine Beraterin des Straubinger Vereins C.A.R.M.E.N. e.V., dass der Verein seit dem Erlass der Strohbau-RL in 2014 mehr Anfragen von potentiellen Bauherren erhalten hat, die Interesse an dieser Bauweise und dem Einsatz von eigenem Stroh bekundet haben. Eine Entwicklung, die Frau Fuchs beobachtet hat, ist die Baugruppenbewegung in Städten. Ihrer Meinung nach fließen dabei zwei Bewegungen zusammen: Es gibt mehr Gruppen, die sich entschließen, dass sie mit Stroh bauen. Für sie sind Baugruppenprojekte mit Stroh eine erfreuliche Weiterentwicklung dieser Bauvorhaben. Können Strohballenhäuser die Welt ökologischer machen? Ja, meint Fuchs. Wenn die Strohbauerin auf ihrer Terrasse steht, blickt sie auf grünbraune Felder bis zum hügeligen Horizont, auf den ein hellblauer Himmel folgt.


ZUR AUTORIN: Tatiana Abarzúa schreibt regelmäßig zu den Themenbereichen Nachhaltigkeit, Erneuerbare Energien und Energipolitik.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 3|2018 der SONNENENERGIE

Autor*in:
Tatiana Abarzúa

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