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22. September 2020

Europäischer Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft

Deutschland muss während der Ratspräsidentschaft für ambitionierte Umsetzung sorgen

Am 11. März 2020 hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft vorgestellt. Ziel des Aktionsplans ist es, durch Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Reparatur und Recycling europaweit das Prinzip der Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Dadurch sollen Ressourcen geschont, das Klima geschützt und Europa wettbewerbsfähiger gemacht werden. Hierzu legt der Aktionsplan einen wichtigen Grundstein. So will die EU-Kommission durch neue Regelungen dafür sorgen, dass der Siedlungsabfall halbiert, Produkte leichter reparier- und wiederverwendbar, Verpackungsabfälle vermieden, mehr Recyclingmaterial eingesetzt und die öffentliche Beschaffung umweltfreundlicher werden.

Verbindlichkeit zu mehr Kreislaufwirtschaft – Deutschland muss auf ehrgeizige Maßnahmen pochen

Der neue Aktionsplan ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft in der EU. Fürs Erste ist er aber nur ein grober Fahrplan: Die enthaltenen Maßnahmen und Ziele bleiben unverbindlich, vage und größtenteils nicht quantifiziert. Vor allem aber fehlt ein konkretes Ziel zur Reduktion des absoluten Ressourcenverbrauchs.

Wie ambitioniert der Aktionsplan in konkrete Rechtsakte oder Programme umgesetzt wird und welche tatsächliche Wirkung er somit entfalten wird, kann die deutsche Bundesregierung auf entscheidende Weise mitgestalten. Denn während der deutschen Ratspräsidentschaft einigt sich der Ministerrat der EU auf eine Position zum Aktionsplan und prägt somit den weiteren Verhandlungsprozess. Um seiner Vorreiterrolle innerhalb der EU gerecht zu werden, sollte Deutschland diese wichtige Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Ressourcenschonung durch nachhaltige Produkte

Das Kernstück des Aktionsplans ist eine nachhaltige Produktpolitik, mit deren Hilfe die Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten gefördert werden sollen. Vor allem soll dazu die Ökodesignrichtlinie auf nicht-energierelevante Produkte ausgeweitet werden. Dadurch und wo nötig durch weitere Legislativvorschläge will die Kommission zudem den Einsatz von Einwegprodukten einschränken; dafür sorgen, dass Produkte mehr Recyclingmaterial enthalten; und verfrühter Obsoleszenz entgegenwirken. Einen besonderen Fokus legt der Plan dabei auf Elektrogeräte, Informations- und Kommunikationstechnik, Textilien, Möbel, Batterien, Altautos und den Bausektor.

Besonders begrüßenswert sind die Pläne, ein Recht auf Reparatur und ein Verbot der Zerstörung neuwertiger Ware einzuführen. Ein positives Signal ist auch das Vorhaben, Produkte nach ihrer Nachhaltigkeits-Performance zu bewerten und vergleichsweise umweltfreundliche Produkte durch Anreize zu fördern. Hier wird es am Ende darauf ankommen, welche Kriterien an diese Produkt-Nachhaltigkeit angelegt werden und ob die gesetzten Anreize ausreichend sind, um einen Lenkungseffekt zu erzielen. Anreize soll es auch für „Produkt-als-Dienstleistung“-Modelle geben, bei denen Hersteller die Eigentümer des Produktes oder verantwortlich für das Produkt bleiben. Alles in allem zielt die angekündigte nachhaltige Produktpolitik mit einer Reihe vielversprechender Maßnahmen darauf ab, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und ihr Ökodesign zu verbessern. Weitere Schritte zur Konkretisierung müssen jedoch folgen, da der Aktionsplan hierzu nur wenige Details enthält. Das Vorhaben der Kommission, die bestehenden Ökodesign-Vorgaben auf weitere Geräte auszuweiten, ist zu begrüßen. Dabei sollten neben der Energieeffizienz vor allem die Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit, Materialauswahl, Rezyklateinsatz, Materialeffizienz, Transportfähigkeit und der Schadstoffgehalt von Produkten berücksichtigt werden.

Darüber hinaus sollte die Verbraucheraufklärung durch verpflichtende Kennzeichnungen verbessert werden, etwa indem das EU-Energielabel auf weitere Produkte angewendet und um wichtige Ökodesignmerkmale wie Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit ergänzt und so zu einem Ökodesignlabel weiterentwickelt wird. Die Verbreitung freiwilliger Umweltzeichen, wie das „EU-Eco-Label“ oder der „Blaue Engel“, sollte gefördert werden, indem die öffentliche Beschaffung zum Vorzug von Produkten mit dem „Blauen Engel“ oder vergleichbaren Umweltzeichen verpflichtet wird.

Förderung von Mehrweg als Beitrag zur Abfallvermeidung

Zwei weitere Schwerpunkte setzt der Aktionsplan in den Bereichen Kunststoffe und Verpackungen. Als positiv zu bewerten, sind die Pläne der Kommission, Verpackungsabfälle durch Vermeidungsmaßnahmen zu reduzieren und das Verpackungsdesign für die Wiederverwendung und ein Recycling voranzutreiben. Zwar fehlt im neuen Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft, so wie auch schon in der 2018 vorgelegten Plastikstrategie, erneut eine klare und verbindliche Priorisierung von Abfallvermeidung und Mehrweg vor Recycling, wie sie eigentlich aus der europäischen Abfallhierarchie hervorgeht. Dennoch sollen Verbote für gewisse Einwegverpackungen in Betracht gezogen werden, wo diese unnötig sind oder durch Mehrwegverpackungen ersetzt werden können. Dieses Vorhaben ist zu begrüßen, denn Mehrwegsysteme sind als Vermeidungsmaßnahmen unnötiger Verpackungsabfälle besonders gut geeignet. Um bei Reduktionsmaßnahmen zu mehr Verbindlichkeit zu kommen, sollte die EU deshalb klar quantifizierte Vermeidungsziele für Einwegkunststoffgegenstände und -verpackungen vorgeben.

Egal ob bei wiederverwendbaren Getränkeflaschen, Coffee-to-go-Bechern oder Transportverpackungen im Pflanzenhandel: Die EU-weite verbindliche Förderung umweltfreundlicher Mehrwegsysteme ist längst überfällig und würde entscheidend dazu beitragen, Ressourcen zu sparen, Abfälle zu vermeiden und das Klima zu schonen – immerhin machen Verpackungen derzeit rund 40 Prozent des EU-weiten Kunststoffverbrauchs aus. Eine verbindliche Mehrwegförderung ist zudem notwendig, um die in der Einwegkunststoffrichtlinie festgelegten Verbote und Reduktionsvorgaben für bestimmte Gegenstände wie Besteck, Trinkhalme, Teller bzw. Becher und Essensboxen zu flankieren. Sonst droht ein Ausweichen auf Einwegprodukte aus anderen Materialien, was für die Umwelt nicht von Nutzen wäre.

Um Mehrwegverpackungen zu fördern, sind vor allem verbindliche Wiederverwendungsquoten entlang der gesamten Wertschöpfungskette, wie sie beispielsweise in Rumänien bereits in Kraft sind, ein effektives Instrument. Für Getränkeverpackungen als besonders „niedrig hängende Frucht“ wäre nach Auffassung der Deutschen Umwelthilfe eine Mehrwegquote von 70 Prozent ab dem Jahr 2030 problemlos umsetzbar. Durch die anstehende Einführung von Einwegpfandsystemen in vielen EU-Mitgliedstaaten wäre ein Großteil der dafür nötigen Rücknahmeinfrastruktur sowieso vorhanden. Für weitere Verkaufsverpackungen sollte darüber hinaus ab 2025 eine Wiederverwendungsquote von 25 Prozent und ab 2030 eine Wiederverwendungsquote von 40 Prozent festgelegt werden. Im Bereich der Transportverpackungen ist Mehrweg besonders leicht umsetzbar und sollte durch eine verbindliche Quote von 70 Prozent ab dem Jahr 2025 gestützt werden.

Grüne Beschaffung und Mindesteinsatzquoten für Rezyklat

Als eine zentrale Maßnahme plant die EU-Kommission die Einführung einer verpflichtenden „grünen Beschaffung“. Verbindliche Mindeststandards und –ziele für die öffentliche Beschaffung sind dabei ebenso essentiell wie eine Berichtspflicht über umgesetzte Maßnahmen. Dies ist ein besonders wichtiger Hebel, um die Nachfrage nach wiederaufbereiteten Produkten, wiederverwendbaren Verpackungen und den Einsatz von Recyclingmaterialien deutlich zu steigern.

Die Absicht der Kommission, künftig einen verpflichtenden Einsatz von Recyclingrohstoffen bei der Herstellung von Produkten festzulegen, ist zu begrüßen – vor allem bei besonders klimarelevanten Sektoren, wie zum Beispiel der Kunststoff- und Bauindustrie. Die Deutsche Umwelthilfe fordert auch auf nationaler Ebene seit langem die gesetzliche Festlegung des Einsatzes von Recyclingmaterialien zur Herstellung von Produkten und Verpackungen. Hierzu wäre ein gestuftes Vorgehen geeignet: 20 Prozent bis 2021, 30 Prozent bis 2024, 40 Prozent bis 2026.

Schwachpunkte beim Ressourcenverbrauch, der Deponierung und Verteuerung von Primärrohstoffen

So vielversprechend der Aktionsplan der EU-Kommission ist, so unverständlich ist es, dass kein konsequentes Deponierungsverbot für unbehandelte Siedlungs- und Gewerbeabfälle festgelegt werden soll. Das enthaltene Ziel, Siedlungsabfälle um die Hälfte zu reduzieren, ist zwar zu begrüßen, denn es weist den Weg in Richtung Abfallvermeidung, Mehrweg und hochwertigem Recycling. Solange recycelbare Siedlungsabfälle aber weiterhin abgelagert werden dürfen, wird das Ziel einer Kreislaufwirtschaft konterkariert.

Ebenfalls fehlen im Aktionsplan klare Ziele und Maßnahmen, um den absoluten Ressourcenverbrauch nachhaltig zu reduzieren. In einem ersten Entwurf war noch das Ziel enthalten, den Rohstoffverbrauch bis 2030 zu halbieren. Für eine echte Ressourcenwende ist ein solches quantifiziertes und überprüfbares Ziel essentiell.

Auch fehlen Maßnahmen zur Verteuerung des Einsatzes von Primärmaterialien. Hier soll zwar die kürzlich von den Staats- und Regierungschef*innen der EU-27 gemeinsam mit dem mehrjährigen Finanzrahmen beschlossene Plastiksteuer ansetzen, die ab dem 01.01.2021 von allen Mitgliedsstaaten an die EU abgeführt wird. Dieses Vorhaben ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Bundesregierung muss nun dafür sorgen, dass die aus der Plastiksteuer entstehende finanzielle Last so verteilt wird, dass eine echte Lenkungswirkung hin zu einem niedrigeren Ressourcenverbrauch, mehr Mehrweg und einem qualitativ hochwertigen Recycling erzielt wird. Dabei sollten von Anfang an auch Maßnahmen getroffen werden, um mögliche Ausweicheffekte auf Einwegverpackungen aus anderen Materialien zu verhindern. Außerdem sollte sie sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Einnahmen aus dem Beitrag im EU-Budget vollständig oder zumindest teilweise für die Förderung der Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden.

Deutschland kann Umsetzung prägen

Mit dem europäischen Aktionsplan hat sich die EU-Kommission zur Abfallvermeidung, Reparatur und Wiederverwendung bekannt. Eine ressourcenvergeudende und auf Einweg ausgerichtete Wirtschaftsweise hat keine Zukunft mehr. Jedoch mangelt es noch an verbindlichen Zielvorgaben und Konkretisierungen, die den Erfolg des Aktionsplans entscheidend mitbestimmen werden. Für viele der angekündigten Regelungen sollten überprüfbare Ziele und Zeithorizonte festgelegt werden. Mehr Verbindlichkeit ist besonders bei Vorgaben zur Abfallvermeidung sowie der Förderung der Wiederverwendung und des hochwertigen Recyclings notwendig.

Die deutsche Bundesregierung hat während ihrer Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 die Chance, die finale Ausgestaltung des Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft entscheidend mitzuprägen. Denn noch in diesem Jahr legt der Ministerrat unter der Leitung des deutschen Umweltministeriums die sogenannten Ratsschlussfolgerungen zum Aktionsplan vor. Weil gerade in Deutschland beispielgebende Mehrwegsysteme, zum Beispiel für Getränkeflaschen, Coffee-to-go-Becher und Transportverpackungen vorhanden sind, sollten während der deutschen Ratspräsidentschaft Mehrweglösungen europaweit vorangebracht werden. Deutschland muss auch über den Aktionsplan hinaus darauf pochen, dass die europäische Abfallhierarchie umgesetzt und mit verbindlichen Maßnahmen konsequent gefördert werden. Die deutsche Bundesregierung sollte zudem die europäischen Rahmenbedingungen zur ökonomischen Bezuschussung der Wiederverwendung und Reparatur verbessern, zum Beispiel durch die Mittel aus dem ebenfalls noch nicht final verhandelten Wiederaufbaufonds.

Bislang läuft Deutschland Europa hinterher

Ob man von Deutschland in dieser Hinsicht viel erwarten kann, ist allerdings fraglich. Die Bundesregierung gibt in der Kreislaufwirtschaft nicht den Takt vor, sondern läuft den europäischen Entwicklungen hinterher. Deutschland steht seit langem an der Spitze des EU-weiten Verpackungsverbrauchs. In der Corona-Krise ist laut Grünem Punkt der Verpackungsabfall in Privathaushalten um weitere 10 Prozent angestiegen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze muss endlich aufwachen und auf Bundesebene bereits heute Abfallvermeidungsziele und verbindliche Wiederverwendungsquoten festlegen. Der durch die Corona-Krise gesunkene Ölpreis verstärkt zudem die Notwendigkeit, die Herstellung von Kunststoff aus Neumaterial effektiv zu verteuern und den Einsatz von Rezyklaten durch verbindliche Mindesteinsatzquoten zu fördern. Hersteller und Inverkehrbringer müssen für unökologische Plastikverpackungen endlich stärker in die Pflicht genommen und negative Umweltauswirkungen im Lizenzierungspreis deutlicher abgebildet werden. Zum einen müssen die Lizenzentgelte für das Inverkehrbringen von Verpackungen durch eine rechtliche Rahmenregelung wie ein Fondsmodell dauerhaft nach oben angepasst und wirksam nach ökologischen Kriterien gestaffelt werden. Ein solches Fondsmodell würde nach dem Bonus- Malus-System Inverkehrbringer vergleichsweise umweltfreundlicher Verpackungen (gute Recyclingfähigkeit, hoher Rezyklateinsatz) finanziell bevorteilen. Dadurch würde statt dem derzeitigen Wettbewerb um den niedrigsten Entsorgungspreis endlich ein Wettbewerb um ökologische Aspekte entstehen. Zum anderen muss eine ausreichend hohe Ressourcenabgabe eingeführt werden. Ob die EU-Plastiksteuer die notwendige Lenkungswirkung erzielen wird, hängt entscheidend davon ab, wie sie auf Hersteller und Inverkehrbringer umgelegt wird. Auf besonders problematische Einwegartikel wie Essensbecher und –boxen sollte deshalb bereits heute eine Abgabe von mindestens 20 Cent erhoben werden.

Deutschland muss endlich mit gutem Beispiel vorangehen und alles dafür tun, unnötige Abfälle zu minimieren, zu erfassen und bestmöglich stofflich zu nutzen. Die Absicht der EU-Kommission, Siedlungsabfälle bis 2030 zu halbieren setzt das richtige Zeichen, Abfälle zu vermeiden, die Wiederverwendung zu stärken und unvermeidbare Abfälle zu recyceln. Bereits bei der aktuellen Überarbeitung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes hat die Deutsche Umwelthilfe von Umweltministerin Svenja Schulze konkrete Reduktionsziele für Siedlungsabfälle gefordert und sieht sich durch den Aktionsplan der Europäischen Kommission in dieser Forderung bestätigt. Die deutsche Umweltministerin muss von der Bremserin zur Gestalterin werden und ein längst überfälliges Vermeidungsziel für Siedlungsabfälle festlegen.

Autor*in:
Henriette Schneider, Expertin für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe e.V.

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