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22. Dezember 2020

Akku leer: Die schwache Batterie-Direktive der Europäischen Union

Um die Klimaziele von Paris nicht zu verfehlen, versucht die Europäische Union (EU) die Antriebs- und Energiewende voranzutreiben. Deshalb arbeitet die EU-Kommission an der Erneuerung ihrer Batterie-Regulierung aus dem Jahr 2006. Denn ohne Batterien und Akkumulatoren (kurz: Akkus) sind Emissionsreduzierungen im Verkehrs- und Energiebereich kaum erreichbar. Die für die Batterien von Elektroautos und Photovoltaikanlagen, aber auch von Tablets, Smartphones oder elektrischen Zahnbürsten notwendigen Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Nickel sowie die Batterien selbst, importieren die EU-Staaten größtenteils aus dem Ausland: Lithium aus Chile und Australien, Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo, Nickel aus Indonesien, Russland und den Philippinen und die Batterien aus China, Südkorea und Japan. Sowohl bei der Rohstoffförderung als auch bei der Batterieherstellung treten gravierende Menschenrechtsverletzungen und verheerende Umweltzerstörungen auf.

Im Evaluationsbericht von 2019 zur Batterie-Richtlinie aus dem Jahr 2006 erklärt die EU-Kommission zwar, dass besonders der Lithium- und Kobaltabbau sowie das nicht ordnungsgemäße Recycling „sehr negative Auswirkungen auf die Umwelt“ haben können, vernachlässigt jedoch gänzlich die mit der Rohstoffförderung einhergehenden Menschenrechtsverletzungen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sowie einige Vertreter*innen der Industrie fordern, Menschenrechtsverletzungen zukünftig zu adressieren. Dies geht aus einer öffentlichen Konsultation aus dem Sommer 2020 zu Vorschlägen zur Novellierung der überholten Batterie-Richtlinie hervor. Seitdem arbeitet die EU-Kommission wieder intensiver an der ursprünglich für das dritte Quartal 2020 geplanten Vorlage zur Gesetzesänderung. Die EU-Kommission fokussiert sich dabei allerdings bislang auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit und blendet die soziale Dimension der Batterieherstellung überwiegend aus. Vielmehr soll der Automobilsektor, der mit Abstand größte Wachstumsmarkt für Batterien, die europäische Gemeinschaft mithilfe von Lithium-Ionen-Batterien und dem Bau von bis zu 20 Batteriefabriken an die Spitze des Wettbewerbs katapultieren.  Mittels des geschätzten Marktpotenzials für in Europa produzierte Batterien in Höhe von bis zu 250 Milliarden Euro bis 2025 will die EU nach China zum zweitgrößten Batteriehersteller der Welt aufsteigen.  Bis 2030, so die EU-Kommission, könnten bereits 28 Millionen E-Autos, vorzugsweise mit in der EU produzierten Batterien, über europäische Straßen gelenkt werden. In Deutschland sollen laut Bundesregierung bis 2030 sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sein. Und zwar auf Kosten Anderer: Denn bei der Rohstoffausbeutung und Weiterverarbeitung, unter anderem aufgrund des europäischen „Rohstoffhungers“, wird die Einhaltung, Durchsetzung und Kontrolle von Umwelt- und Menschenrechtsstandards vernachlässigt.

Europäische Batterien auf Kosten Anderer

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie PowerShift, Amnesty International und Global Witness fordern, dass die EU-Kommission im Rahmen der Richtlinien-Novellierung einen stärkeren Fokus auf die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt in den globalen Batterie-Wertschöpfungsketten legt und gesetzlich verankert. Dies ist nicht zuletzt deswegen dringend geboten, weil viele der weltweit größten Hersteller von Elektrofahrzeugen ihren Hauptsitz oder den ihrer Tochterfirmen in EU-Staaten haben. Sie fallen damit in  den Verantwortungsbereich der EU. Viele der Automobilhersteller beziehen einen Großteil ihrer Kobaltbedarfe aus der Demokratischen Republik Kongo, wo Menschenrechte durch den Abbau massiv verletzt werden. Auch wenn es in den letzten Jahren einzelne positive  Entwicklungen bezüglich des Kobaltbezugs gibt, übernehmen die Unternehmen bisher zu wenig Verantwortung für die schwerwiegenden Folgen des Bergbaus zur Gewinnung von Batterie-Rohstoffen. Gleiches gilt für die EU, die selbst 66 Prozent ihres Lithiumbedarfs aus Chile importiert. Die extrem wasserintensive Extraktion des Rohstoffs in einem der trockensten Gebiete der Erde zerstört das Ökosystem und gefährdet die auf Landwirtschaft beruhenden Lebensweisen der überwiegend indigenen Menschen stark. Ohne konkreter zu werden, zieht die EU-Kommission in der Folgenabschätzung der Batterie-Richtlinie zukünftig erweiterte Verpflichtungen zur  Herstellerverantwortung als „Policy-Option“ in Betracht. Sie will deshalb prüfen, inwieweit die „Bereitstellung besserer und zuverlässiger Informationen es den Herstellern und Verbraucher*innen ermöglicht, bessere und fundiertere Entscheidungen zu treffen“, bevor Unternehmen dazu verpflichtet werden, Informationen über ihre Rohstoffquellen öffentlich bekannt zu geben.

Umweltschutz vs. Umweltzerstörung

Zum Schutz der Umwelt konzentriert sich die EU-Kommission auf das Lebensende von Batterien und speziell auf zwei Maßnahmen: die Reduktion von schädlichen Substanzen sowie das Sammeln und Recycling von Altbatterien. Laut EU-Kommission haben seit Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2006 die Umweltauswirkungen von Batterien abgenommen. Hauptsächlich sei dies auf das Verbot von Quecksilber und Cadmium zurückzuführen und darauf, dass eine größere Anzahl an Batterien gesammelt anstatt unrechtmäßig entsorgt wurde. Umweltschädliche Substanzen wie Kobalt, Lithium oder Nickel werden in der aktuellen Direktive aber nicht berücksichtigt. Dass mehr Batterien gesammelt werden, liegt dabei allerdings weniger an den vorgegebenen Sammelquoten, die lediglich eine Zielmarke darstellen. Sondern vielmehr daran, dass seit 2006 deutlich mehr Batterien im Umlauf sind. Allein im Jahr 2015 wurden 75.000 Tonnen Lithium- Ionen-Batterien in der EU verkauft. Davon machten allein 17 Prozent Gerätebatterien aus, also Batterien von beispielsweise Mobiltelefonen und Haushaltsgeräten. Aktuell liegt die ausgewiesene Sammelquote für diese Batterien bei niedrigen 45 Prozent. Diese Quote wird von den EU-Staaten sogar noch verfehlt, sodass 57 Prozent der Batterien, mit einem Gewicht von über 35.000 Tonnen, noch immer im Hausmüll landen. Für Fahrzeug- und Industriebatterien gibt es gar keine Sammelquote. Fest steht: 56.000 Tonnen (11 Prozent) der Industriebatterien, zu denen Lithium-Ionen-Batterien zählen, gehen laut EU-Kommission „verloren“. Und auch die restlichen 89 Prozent werden nicht komplett wieder dem Stoffkreislauf zugeführt. Denn die Recyclingeffizienz der Elektroauto-Batterien liegt bei gerade einmal 50 Prozent. Recyclingeffizienz heißt dabei, dass – gemäß der aktuellen Batterie-Richtlinie von 2006 – lediglich die Hälfte einer Batterie recycelt werden muss. Es kann also gut sein, dass die Batteriehülle komplett wiederverwendet wird, dafür aber schwer zu trennende, wertvolle Rohstoffe unwiederbringlich verloren gehen. Noch steckt das Batterie-Recycling allerdings in seinen Kinderschuhen und ist zudem alles andere als einfach. In einem heute gängigen Verfahren werden die kompletten Batterien in einem Ofen eingeschmolzen, sodass die daraus resultierende Legierung aus Kobalt, Nickel und Kupfer aufgeschmolzen wird und die einzelnen Bestandteile entnommen werden können. Die hohen Anforderungen an eine saubere Trennung zur direkten Wiederverwendung der Metalle ist jedoch schwer umzusetzen. Zwar können alle Komponenten recycelt werden, Lithium kann in diesem Prozess jedoch nicht zurückgewonnen werden. Daher wird jeder einzelne Akku mit seinen knapp 100 Einzelteilen noch überwiegend von Hand demontiert. Dieser Prozess ist nicht nur zeitaufwendig (circa eine Stunde pro Batterie), sondern aufgrund der hohen Spannungen, den vielen unterschiedlichen Inhaltsstoffen und des hoch reaktiven Lithiums mit einigen Risiken verbunden.

Die Wertschöpfungskette von Batterien

Die dynamischen Entwicklungen vor allem der Elektromobilität bringen der EU-Kommission zufolge nicht nur hohe Kosten, sondern auch (Versorgungs-)Risiken in der Lieferkette mit sich. Indem die EU-Staaten weder über eine ausreichende Menge wichtiger Batterie-Rohstoffe verfügen noch genügend Batterien selbst produzieren, sind sie vor allem von Afrika, Lateinamerika und Asien abhängig. Während asiatische Länder wie China, Südkorea und Japan insgesamt einen Anteil von 85 Prozent an der weltweiten Batteriezellfertigung haben, kommt die EU gerade einmal auf drei Prozent. Um eine „technologische Abhängigkeit von den asiatischen Konkurrenten zu verhindern und das Beschäftigungs- und Wachstumspotenzial von Batterien zu nutzen“, plant die EU-Kommission eine europäische Batterieindustrie aufzubauen und die Wertschöpfung somit in die EU zu holen. Aufgrund der steigenden Batteriebedarfe, so EU- Kommissar Maroš Šefčovic, werden die EU-Staaten bis 2030 bis zu 18 Mal mehr Lithium und fünfmal mehr Kobalt als im Jahr 2020 benötigen. Durch das Erschließen eigener (Primär-) Rohstoffreserven will sich die EU zwar fortan vom Weltmarkt unabhängiger machen. Nach dem heutigen Kenntnisstand können jedoch wahrscheinlich nur etwa 15 bis 20 Prozent des gesamten Rohstoffbedarfs für Batterien aus heimischen Quellen gedeckt werden, so Colin Lustenhouwer, Berichterstatter für die letztjährige Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) zum Strategischen Aktionsplan für Batterien. Nennenswerte Lithiumreserven gibt es gemäß der EU-Kommission nur in Portugal. Kobalt und Nickelreserven gibt es in Finnland sowie weitere Nickelreserven in Griechenland. Die dort sichtbaren Konflikte um den Rohstoffabbau verdeutlichen, zumindest im Ansatz, welche massiven sozial-ökologischen Auswirkungen für den europäischen Rohstoffbedarf in den Globalen Süden externalisiert werden. In diesem Zusammenhang weist auch Lustenhouwer darauf hin, dass bei der sehr energieintensiven Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen große Mengen an (häufig gefährlichen) Bergbauabfällen verursacht werden. Das reicht von giftigen Minenschlämmen über kontaminiertes Wasser bis hin zu großen Mengen an Abraum. Diese ökologischen Probleme bleiben in der Batterie-Direktive von 2006 gänzlich unberücksichtigt. Lustenhouwer sieht auch am Ende der Batterie-Lebenszyklen ein „besorgniserregendes Abfallproblem“. Allein in Deutschland verzeichnet die Kategorie der sonstigen“ Altbatterien, zu denen neben Alkali-Mangan-, Zink-Kohle- und Lithium-, auch Lithium-Ionen-Altbatterien gerechnet werden, einen drastischen Anstieg. Waren es 2017 noch 16.222 Tonnen Altbatterien, stieg die Zahl 2018 bereits auf 17.424 Tonnen und noch einmal um 28,1 Prozent auf 22.315 Tonnen im Folgejahr. Darüber hinaus werden immer mehr Batterien in Form von Elektroschrott nach Osteuropa, Asien und Afrika exportiert, wo die Geräte dann mit bloßen Händen auseinandergenommen, die Batterien entfernt, aber nur teilweise recycelt werden. Der Rest wird verbrannt, was in der EU verboten ist. Die Häufung und Intensivierung von Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen außerhalb aber auch innerhalb der EU zeigen deutlich, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, der in der überarbeiteten Direktive adressiert werden muss.

Ausblick

Die EU sowie die Batterie- und Automobilindustrie dürfen die sozial-ökologischen Kosten der europäischen Antriebs- und Energiewende nicht weiter in die Länder des Globalen Südens auslagern. Die Novellierung der bislang schwachen Batterie-Richtlinie bietet die Chance, verbindliche Vorgaben einzuführen, damit die genannten Akteure Verantwortung für die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Batterieherstellung übernehmen. Die EU-Kommission muss:

  • Sammelquoten für Gerätebatterien in Höhe von mindestens 80 Prozent sowie für Industriebatterien von nahezu 100 Prozent verpflichtend einführen,
  • Recyclingeffizienzen für Batterien aller Elektrofahrzeuge sukzessive auf mindestens 90 Prozent anheben und auf alle Metalle anwenden,
  • ein Pfandsystem für Industriebatterien und somit auch Lithium-Ionen-Batterien einführen

Grundsätzlich:

  • muss der Schutz von Menschenrechten und Umwelt entlang der gesamten Batterie-Wertschöpfungskette verpflichtend sein,
  • müssen Verstöße gegen diese Sorgfaltspflichten sanktioniert und Betroffenen von Rechtsverletzungen ein Zugang Klagemöglichkeiten und Entschädigung in der EU eingeräumt werden,
  • müssen Batterien energieeffizient, langlebig, reparier- und recycelbar sein und auf Grundlage von 100 Prozent Erneuerbarer Energien produziert, geladen, recycelt und entsorgt werden,
  • muss eine konsequente Rohstoffwende initiiert und damit eine Reduktion des absoluten Rohstoffverbrauchs umgesetzt werden, um den heutigen sozialen und ökologischen Krisen zu begegnen sowie Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern,
  • muss eine umfassende Mobilitätswende eingeleitet werden.

Eine Antriebswende allein kann die aufgezeigten Probleme nicht beheben. Neben dem Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, der auch in Deutschland dringend beschlossen werden muss, bedarf es einer umfassenden Mobilitätswende. Diese muss den konsequenten Ausbau der Schienen-, ÖPNV-, Fuß- und Fahrradinfrastruktur vorsehen. Die verbleibenden Autos müssen nicht nur elektrisch betrieben sein, sondern auch die genutzten Batterien unter höchsten Menschenrechtsund Umweltstandards produziert werden. Das Ziel muss eine miteinander korrespondierende Mobilitäts- und Rohstoffwende sein, die auch die globale Problematik des Rohstoffabbaus, der Batterieherstellung und des Abfallproblems berücksichtigt.


Dieser Artikel erschien ursprünglich als Factsheet bei der NGO PowerShift
Redaktion: Nico Beckert, Constantin Bittner, Michael Reckordt

Autor*in:
Nina Schlosser