Position des Umweltausschuss verwässert Vorschlag der Kommission
Dieser Artikel erschien zuerst am 25.10.2023 bei Exit Plastik.
Die gestern verabschiedete Position des EU-Umweltausschuss zur Europäischen Verpackungsverordnung verwässert den im November 2022 vorgelegten Vorschlag der EU-Kommission und ist zu schwach, um eine Verpackungswende einzuläuten. Zu den kritischen Punkten gehören:
- Mehrwegziele für Takeaway-Verpackungen wurden gestrichen, stattdessen soll es in diesem Bereich lediglich eine Mehrwegangebotspflicht für Getränke geben;
- geplantes Einweg-Verpackungsverbot für den Vor-Ort-Verzehr in der Gastronomie enthält zu viele Ausnahmen;
- Maßnahmen, die Einwegverpackungen vermeiden und Mehrweg fördern sollen, enthalten zu viele Schlupflöcher für Papierverpackungen, was deren Verbrauch und somit den Druck auf Wälder, Ökosysteme und Klima weiter erhöht;
- Wein wurde von den Mehrwegzielen für Getränke ausgenommen;
- Biobasiertes Plastik (also Neuplastik) soll bis zu 50% zur Erfüllung der Recyclingziele genutzt werden können.
Eine begrüßenswerte Verbesserung ist das vorgesehene Verbot der gesundheits- und umweltschädlichen PFAS-Chemikalien und Bisphenol-A (BPA) in Verpackungen. Es bietet jedoch noch längst nicht genug Schutz vorbesorgniserregenden Chemikalien in Verpackungen. Die EU-Chemikalienagentur befasst sich bspw. mit dem Verbot einer ganzen Bisphenol-Gruppe, die 34 Chemikalien umfasst. Auch die Berichtspflicht der Hersteller über alle bedenklichen Stoffe in den technischen Unterlagen ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Für mehr Chemikalientransparenz müssen diese Informationen jedoch auch den Verbraucher*innen bereitgestellt werden.
Positiv ist zudem eine vorgeschlagene Ergänzung, die vorsieht, dass Gäste in Cafés, Bars, Kantinen, Restaurants, etc. künftig ein Anrecht auf den kostengünstigen oder gratis Ausschank von Leitungswasser erhalten.
Die der Abstimmung vorausgehenden monatelangen schwierigen Verhandlungen waren geprägt von massivem Druck der Einweg-Lobby, in denen versucht wurde, verbindliche Vorgaben für Mehrweg zu verhindern – mit einigem Erfolg, wie das ambitionslose Ergebnis zeigt. Nur sehr knapp konnte bei der Abstimmung zudem eine noch stärkere Schwächung der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Mehrwegförderung und Vermeidung von Einwegverpackungen verhindert werden. Entsprechende verheerende Vorschläge waren kurzfristig von der konservativen EVP und EKR vorgelegt worden.
Wie geht es weiter?
Nach der Abstimmung im Umweltausschuss des EU-Parlaments wird im nächsten Schritt das Plenum des Parlaments über die EU-Verpackungsverordnung abstimmen. Vorgesehen ist dafür die Woche vom 20. November. Die Position des Umweltrats der EU (Umweltminister*innen der Mitgliedsstaaten) wird im Dezember erwartet. Danach beginnen die Trilogverhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Umweltrat und EU-Kommission, bei denen es darum gehen wird, einen gemeinsamen Kompromiss für die Verordnung zu finden. Zeitdruck entsteht durch das nahende Ende der Legislaturperiode 2024 (Neuwahlen zwischen 6. Und 9. Juni 2024).
Was jetzt wichtig ist:
- Wir fordern alle EU-Abgeordneten auf, eine weitere Schwächung der Verordnung bei der Abstimmung im Parlament zu verhindern.
- Der Umweltrat ist aufgerufen, eine ambitionierte Verordnung durchzusetzen, die Vermeidung und Mehrweg stärkt und Schlupflöcher, wie die Ausnahmen von Einweg-Papierverpackungen bei den Mehrwegzielen, zu verhindern. Dafür muss sich Steffi Lemke stark machen.
Die neuesten Eurostat-Zahlen belegen: Europa hat ein massives Verpackungsmüllproblem. 2021 fielen pro Einwohner*in 188,7 Kilogramm Verpackungsabfälle an. Das ist eine Zunahme von fast 11 Kilogramm gegenüber 2020 und der größte Anstieg in den letzten zehn Jahren. Jede dieser Verpackungen verbraucht zudem wertvolle Ressourcen in der Herstellung. Statt der Fortschreibung unserer ressourcenintensiven und zerstörerischen Wegwerf-Wirtschaft, brauchen wir geschlossene Kreisläufe, in denen Verpackungen, gemäß der europäischen Abfallhierarchie von Anfang an vermieden oder möglichst häufig zum selben Zweck wiederverwendet werden. Verpackungen müssen zudem ohne den Einsatz gefährlicher Chemikalien auskommen, die unsere Gesundheit gefährden und ganze Recyclingströme kontaminieren können. Nur so können wir der Biodiversitäts-, Verschmutzungs- und Klimakrise begegnen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 25.10.2023 bei Exit Plastik.