Rohstoffstrategie: Stellungnahme des BUND
Der BUND fordert die Bundesregierung auf die neue Rohstoffstrategie zu nutzen, um eine tiefgreifende Transformation der deutschen Rohstoffpolitik einzuleiten. Denn die bisherige Rohstoffstrategie aus dem Jahr 2010 stellt eine Sicherung von Rohstoffen für die deutsche Wirtschaft durch Handels- und Außenwirtschaftsmaßnahmen vor den Natur- und Umweltschutz. Priorität hatte der Abbau aller Handelsbeschränkungen im Rohstoffhandel und die Förderung deutscher Investitionen. Mögliche Konflikte mit Nachhaltigkeitszielen sowie ein klarer Vorrang von Umweltschutz und Menschenrechten vor Wirtschaftsinteressen wurden nicht formuliert.
Dieser Fehler darf nicht erneut gemacht werden! Er hat dazu geführt, dass deutsche Unternehmen durch den Bezug von Rohstoffen weltweit zu Umweltzerstörung und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen beitragen. Der durch unzureichende Schutzmaßnahmen ermöglichte Dammbruch einer Eisenmine in Brasilien ist nur ein aktuelles Beispiel aus einer Reihe tragischer Ereignisse der letzten Jahre. Der Abbau von Rohstoffen für die deutsche Wirtschaft führt außerdem zu einem enormen Flächen- und Ressourcenverbrauch. All dies zeigt die dringende Notwendigkeit einer Rohstoffwende. Es braucht einen fundamentalen Richtungswechsel hin zu einer Wirtschaftsweise, welche aus globaler Gerechtigkeitsperspektive die planetaren Leitplanken dauerhaft einhält. Denn der deutsche Erdüberlastungstag fand in diesem Jahr bereits Anfang Mai statt. Würden alle Staaten der Welt so wirtschaften wie Deutschland, bräuchte die Menschheit drei Erden, um ihren Rohstoff- und Ressourcenverbrauch zu decken. Aus diesem Grund muss das vorrangige Ziel einer Neuauflage der deutschen Rohstoffstrategie Nachhaltigkeit und nicht Versorgungssicherheit sein. Um eine gerechte Verteilung der vorhandenen Rohstoffe sicherzustellen, muss eine konsequente Suffizienzstrategie elementarer Bestandteil der deutschen Rohstoffstrategie werden. Dafür braucht es eine absolute Reduktion des deutschen Rohstoffverbrauchs mit klar definierten Reduktionszielen und entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung. Damit einher geht eine tiefgreifende Änderung der export- und wachstumsorientierten Produktions- und Konsummuster. Der Fokus der Fortschreibung der deutschen Rohstoffstrategie darf nicht auf der Erschließung neuer Rohstoffquellen liegen, sondern muss eine konsistente und konsequente Ausweitung des Recyclings und der Kreislaufwirtschaft beinhalten. Darüber hinaus müssen deutsche Unternehmen durch nationale Gesetze dazu verpflichtet werden, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten.
Diesen Standpunkt hat der BUND am 23.05.2019 in einer Stellungnahme an das Wirtschaftsministerium verdeutlicht. Parallel dazu wurde der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in einem Brief aufgefordert, den Prozess der Fortschreibung der Rohstoffstrategie transparent zu gestalten und zivilgesellschaftliche Organisationen einzubinden.
In der Vergangenheit ist genau das nicht erfolgt. Die Historie der Entstehung der bisherigen Rohstoffstrategie aus dem Jahr 2010 zeigt vielmehr, dass insbesondere die Industrie einen privilegierten Zugang zur Wissensbildung der Bundesregierung besitzt. Auf Wunsch der Industrie wurde 2007 die Rohstoffpolitik als Querschnittsaufgabe innerhalb der Bundesregierung verankert. Seitdem beschäftigt sich ein Interministerieller Ausschuss (IMA) Rohstoffe unter der Führung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie mit dem Thema. In die konkrete Ausgestaltung der Rohstoffstrategie wurden Wirtschaftsverbände durch einen ständigen Sitz im IMA stark einbezogen. Die Beteiligung von Umweltverbänden und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wurde jedoch komplett versäumt.
2018 entschied der IMA nun die Rohstoffstrategie fortzuschreiben. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf die Fragen der Abgeordneten Eva-Maria Schreiber (BT-Drucksache 19/4946) geht darüber hinaus folgendes hervor: Ein unter den Ressorts abgestimmter Entwurf soll im Sommer 2019 fertig sein und aufgrund der Umwelt- und sozialen Aspekte der Rohstoffgewinnung sollen nichtstaatliche Akteure wie Umwelt- und Industrieverbände einbezogen werden.
Bezüglich der Fortschreibung der Rohstoffstrategie hat uns jedoch nie eine Anfrage oder Information erreicht. Vielmehr sind wir nur durch eigene Recherche auf die Bitte um Mitgestaltung der Fortschreibung durch Vorab-Stellungnahme, welche auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie veröffentlicht wurde, gestoßen. Dort ist außerdem nicht ersichtlich, auf welche Weise die Stellungnahmen in die Erarbeitung der Rohstoffstrategie einfließen und wie der Prozess weitergeht. Darüber hinaus geht aus den Protokollen des IMA hervor, dass der Bund der Deutschen Industrie (BDI) weiterhin regelmäßig an den Treffen teilgenommen hat. Dieser privilegierte Zugang der Industrie zu den Entscheidungsprozessen der Bundesregierung muss gestoppt werden. Bei der Fortschreibung der Rohstoffstrategie dürfen nicht die gleichen Fehler wie 2010 gemacht werden, denn die sozialen und ökologischen Auswirkungen sind fatal. Die Fortschreibung der Rohstoffstrategie bedarf einer breiten öffentlichen Beteiligung und eines transparenten Prozesses.
Die Antwort des Wirtschaftsministeriums auf das Schreiben an Herrn Altmaier erreichte uns etwa einen Monat später und fiel mehr als spärlich aus: Auch wenn die Rohstoffstrategie in alleiniger Verantwortung der Bundesregierung liegt, wird sich bemüht, einen Diskussionsprozess mit „Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und anderen Stakeholdern“ zu initiieren. Noch im Sommer dieses Jahres solle ein zwischen den Ressorts abgestimmter Entwurf erarbeitet werden, für welchen die eingegangenen Stellungnahmen gesichtet würden. „Über die konkrete Ausgestaltung der Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure nach der Erarbeitung des Entwurfs der Bundesregierung wird zwischen den Ressorts demnächst entschieden“ heißt es in der Antwort weiter.
Der BUND wird an dem Thema dranbleiben und sich weiterhin lautstark dafür einsetzen, eine dauerhaft und global durchhaltbare Lebens- und Wirtschaftsweise zu erreichen. Diese sozial-ökologische Transformation ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts und ein wichtiger Baustein ist eine radikale Ressourcenwende.
Die komplette Stellungnahme zur Rohstoffstrategie finden Sie hier.
Autor*innen:
Benedikt Jacobs