Ressourcenpolitik im Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Innovationsförderung und Ressourcenschutz
Warum ist die Nutzung natürlicher Ressourcen überhaupt ein Problem und welche Rolle sollte Politik dabei spielen?
Die Sichtweisen darauf unterscheiden sich zum Teil erheblich: Die einen argumentieren, dass Rohstoffe die Grundlage von Wohlstand sind. Es käme vor allem darauf an, den Zugang zu Rohstoffquellen zu sichern, etwa durch Handelspolitik, mit entwicklungspolitischen Instrumenten oder durch Rohstoffabbau auch im Inland. Monopole auf Rohstoffe sollten vermieden werden, genauso wie politisch motivierte Handelshemmnisse. Aus dieser Perspektive wird häufig argumentiert, dass es keine physische Knappheit von Rohstoffen gibt. Wenn dies doch der Fall wäre, dann würde das Innovationsgeschehen schon andere Lösungen finden. Teil des Narratives ist auch, dass Unternehmen sowieso alle Anreize haben, mit Rohstoffen effizient umzugehen und Material einzusparen, wo immer es geht. Schließlich können damit Kosten vermieden werden und dadurch Wettbewerbsvorteile errungen werden. Die Schlussfolgerungen: Rohstoffpolitik soll im Wesentlichen auf Versorgungssicherheit zielen und damit für billige Rohstoffe sorgen.
Ein weitere Perspektive weist darauf hin, dass Innovationen für die Einsparung von Rohstoffen nicht genutzt werden: Obwohl Material für Unternehmen einen noch höheren Kostenfaktor als Arbeit oder Energie darstellt, werden erhebliche Einsparpotenziale nicht genutzt. Dies betrifft in erster Linie Prozesse, aber auch die Substitution von Material durch alternative Rohstoffe oder die Entwicklung von Gütern, die die Nachfrage mit anderen, weniger materialintensiven Produkten oder Dienstleistungen befriedigt. Nutzen statt Besitzen ist hier eine Entwicklungsrichtung, die aber in dieser Perspektive bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Es gibt einige Gründe, die dazu führen, dass Unternehmen die Innovationspotenziale nicht ausschöpfen: etwa weil ihnen Informationen zu effizienteren Prozessen oder Produkttechnologien fehlen, weil sich Innovation für sie nicht lohnt oder weil Wettbewerber durch Nachahmung die Entwicklungskosten sparen und dadurch im Vorteil sind. Politik soll in dieser Perspektive vor allem Innovationen fördern, indem Fördergelder bereitgestellt, Innovationen steuerlich gefördert oder Beratungen angeboten werden. Damit verbunden ist die Erwartung, dass Innovationen zu Kosteneinsparungen, Wettbewerbsvorteilen und nicht zuletzt zur Verminderung von Umweltwirkungen führen.
Eine dritte Perspektive betont schließlich die ökologischen und sozialen Folgewirkungen der Rohstoffnutzung. Mit jeder Tonne Material, die aus der Erde geholt und verarbeitet wird, sind ökologische und soziale Folgewirkungen verbunden: Für die Extraktion wird Energie aufgewandt, werden schädliche Chemikalien eingesetzt und Landschaften umgegraben. In der Folge geht Biodiversität verloren, wird Siedlungsfläche reduziert, arbeiten Menschen unter schlechten Bedingungen usw. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette setzen sich negative Umweltauswirkungen fort, bis Materialien schlussendlich als Abfälle entsorgt werden sollen. Mit der weltweit wachsenden Nachfrage nach Rohstoffen nehmen die spezifischen negativen Umwelt- und sozialen Wirkungen überproportional zu: Es muss immer tiefer gegraben werden, immer größere Flächen werden in Anspruch genommen, mehr Hilfsmittel genutzt, um Rohstoffe in immer kleineren Konzentrationen zu erschließen. Der anstehende Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee ist dafür sinnbildlich. In dieser Perspektive gilt es, die Nutzung von Rohstoffen insgesamt zu begrenzen, weil mit zunehmender Beanspruchung auch immer mehr Treibhausgasemissionen verbunden sind. Zwar werden auch in Deutschland große Mengen an Rohstoffen abgebaut (besonders Braunkohle, Baustoffe, Salze), aber für andere Rohstoffe, vspeziell Metalle und fossile Brennstoffe entstehen Umweltbelastungen vor allem bei der Extraktion im Ausland. Gleiches gilt für die Verletzung von Menschenrechten. Um dem Rechnung zu tragen, werden Berichts- und Sorgfaltspflichten für importierte Materialien und Produkte gefordert oder auch eine Begrenzung der Nachfrage nach problematischen Materialien. Die Instrumente dafür sind Steuern, Obergrenzen oder ordnungsrechtliche Vorgaben für Produkte (z.B. Reparierbarkeit) und für Produktionsprozesse.
Die Perspektive, die vor allem auf Versorgungssicherheit fokussiert und mit wirtschaftlichem Wohlstand aus industrieller Produktion mit möglichst billigen Rohstoffen argumentiert, scheint nicht im Mindesten anschlussfähig an die Perspektive, die die ökologischen und sozialen Folgewirkungen und die damit verbundenen Gerechtigkeitsfragen ins Zentrum stellt. Bei der Perspektive, die auf Innovation fokussiert, geht es um relative Entkopplung. Aus ökologischer Perspektive kann das nicht ausreichen, hier muss es um absolute Reduktion gehen. Die jeweilige Instrumentierung ist gegensätzlich. Zwar sind Recycling und Einsparung von Material aus jeder Perspektive zustimmungsfähig, aber mit jeweils völlig unterschiedlichen Zielsetzungen und Instrumenten, um diese zu erreichen.
ProgRess III: mehr Innovation und weniger Ressourcenverbrauch?
Gibt es eine Verschiebung der Debatte? Hat sich die Gewichtung zwischen den verschiedenen Perspektiven verändert? Einen Anhaltspunkt kann die Fortschreibung des Ressourceneffizienzprogramms der Bundesregierung (ProgRess) geben, das jüngst in der dritten Fassung vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Dort wird die Notwendigkeit der Reduktion von Materialnutzung und dessen Umweltfolgen mittlerweile klar betont. Zum Beispiel seien die Ziele des Klimaschutzes ohne Maßnahmen zur Ressourceneffizienz nicht zu erreichen. Zugleich wird betont, dass für Klimaschutztechnologien oder für die digitale Transformation Rohstoffe gesichert werden müssen. Die Förderung von Innovationen wird, wie auch in früheren Programmen, als ein Schlüssel für die Verbesserung der Ressourceneffizienz gesehen. Die Zielsetzung bezieht sich nach wie vor auf eine relative Entkopplung: Ziel sei es, die Gesamtrohstoffproduktivität, d.h. die Nutzung von Rohstoffen in Bezug auf ökonomische Wertschöpfung, um jahresdurchschnittlich 1,5 Prozent zu verbessern. Erstmals wird auch über die Rohstoffnutzung pro Kopf berichtet. Damit gewinnt nicht nur die Perspektive auf ökologische Folgewirkungen an Gewicht, sondern es wird auch deutlich, dass die Effizienzverbesserungen maßgeblich auf wirtschaftliches Wachstum zurückgehen, während der Pro-Kopf-Verbrauch stagniert.
In der Instrumentierung sind Maßnahmen angekündigt, die auf eine Minderung ökologischer und sozialer Wirkungen des Rohstoffabbaus im Ausland hinwirken sollen. Dies soll durch die Entwicklung von Kapazitäten und Technologieförderung in Rohstoffexportländern, durch Good-Governance-Prinzipien für Unternehmen, durch Transparenz in den Lieferketten etc. erfolgen. Um Konsum ressourceneffizienter zu gestalten, sollen Kennzeichen etabliert werden, etwa zur Reparierbarkeit, ein weiterentwickelter Blauer Engel, oder hinsichtlich des Gehalts an Sekundärrohstoffen. Für die Verbesserung der Ressourceneffizienz in Produktionsprozessen und im privaten Konsum sind zahlreiche Maßnahmen zur Innovationsförderung und zur Information von Unternehmen vorgesehen. Zwar gibt es einige Vorschläge, die durch Regulation die Nachfrage nach Produkten mit längerer Lebensdauer stärken sollen, etwa durch Ökodesign-Vorgaben oder durch ein geändertes Gewährleistungsrecht. Zur Verminderung von Einwegprodukten aus Kunststoff sollen ebenfalls regulative Maßnahmen erwogen werden. Abgaben auf die Nutzung von natürlichen Ressourcen werden in dem Programm hingegen nicht in Betracht gezogen. Ungeachtet der wenigen Bespiele für Maßnahmen, die auf eine Reduktion des Verbrauchs abzielen, überwiegen solche, die auf Innovation abzielen. Zudem soll die Rohstoffbasis eher verbreitert werden, weil man auf spezifische ökologische Vorteile hofft, wie das Beispiel biotischer Stoffe verdeutlicht, oder um die Rohstoffbedarfe für Klimaschutztechnologien zu befriedigen. In der Instrumentierung insgesamt ist das Ziel einer absoluten Reduktion des Rohstoffverbrauchs nicht gespiegelt.
Ressourcenpolitik zwischen Konsens und Konflikt
Warum ist das so? ProgRess ist durch einen integrativen und kooperativen Politikansatz gekennzeichnet. Vor dem Hintergrund, dass die Themenfelder von Ressourcenpolitik ein Zusammenwirken unterschiedlicher Ressorts und Akteure nahelegen, erscheint dieser Ansatz angemessen. Entsprechend wird in der Governance von ProgRess eine Reihe von Ministerien, Kommunen, Ländern, die internationale Ebene, aber auch Industrie-, Wirtschafts-, Umweltschutz- und Verbraucherschutzverbände sowie Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit einbezogen. Damit ist es gelungen, Ressourcenpolitik in Deutschland auch Bedenken zum Trotz zu etablieren. Ein Einwand gegen eine Politik, die den Input an Materialien adressiert, war beispielsweise, dass ein Fokus auf die Mengenströme vernachlässige, welche spezifischen Umweltwirkungen von den Materialien ausgehen. Weiterhin seien die verschiedenen Materialien nicht vergleichbar und es gebe – mit wenigen Ausnahmen – keine physischen Knappheiten bei der Verfügbarkeit. Vielmehr sollten Umweltwirkungen durch Emissionsminderung oder die Sicherung von Ökosystemen adressiert werden. Außerdem würden Umweltwirkungen eher bei der Extraktion und mithin eher im Ausland auftreten und sollten aus diesem Grund auch dort bearbeitet werden. Insbesondere durch die Verknüpfung mit wirtschaftspolitischen Anliegen im Hinblick auf Versorgungssicherheit, Innovationen und Kosteneinsparung ist es gelungen, Ressourcenpolitik zu etablieren. Die Zielsysteme der Akteur*innen bleiben aber spannungsreich: Während Umweltakteur*innen eher auf die Schonung natürlicher Ressourcen und auf absolute Reduktionsziele abzielen, stehen bei wirtschaftspolitischen Akteur*innen Innovation und Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund. Ressourceneffizienz erscheint dabei als ein Kompromiss, unter dem sich die Akteur*innen versammeln können. Entsprechend ist auch der Strategieprozess integrativ und konsensorientiert. Dies schlägt sich schließlich in der Instrumentierung nieder, die auf Förderung, Information und Freiwilligkeit setzt.
Fazit
Für die Weiterentwicklung von Ressourcenpolitik stehen im Hinblick auf thematische Fokussierung bzw. Erweiterung, Prozessgestaltung und Instrumentierung zwei grundsätzliche Optionen (mit einer Vielzahl von Zwischentönen) offen: Entweder eine Vertiefung und Ergänzung des bisherigen kooperativen Ansatzes oder eine Strategie, die stärker als bisher auf Ressourcenschonung setzt. Die erste Option könnte bedeuten, dass der thematische Zuschnitt weitgehend erhalten bleibt oder ggf. stärker auf die Ziele der Europäischen Strategie einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) zugeschnitten wird. Das Zielsystem könnte sukzessive ergänzt werden, indem materialspezifische Ziele identifiziert werden. Der Strategieprozess könnte punktuell verstärkt werden, etwa indem die Nationale Plattform für Ressourceneffizienz (NaRess) zu einer Interministeriellen Arbeitsgruppe unter Einbezug der nichtstaatlichen Mitglieder aufgewertet wird, Umsetzungsmechanismen im Hinblick auf Kommunen, Verbraucher*innen und/oder Wissenschaft gestärkt werden und/oder das Zentrum Ressourceneffizienz des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI-ZRE) auch mit der Beratung der Bauwirtschaft beauftragt wird. Im Hinblick auf die Instrumentierung könnte die Innovationsförderung weiter vertieft werden, indem zusätzliche Budgets dafür geschaffen werden und ProgRess um eine Innovationsplattform ergänzt wird.
Eine Umorientierung zu einer Ressourcenschonungsstrategie könnte beinhalten, dass der thematische Zuschnitt um weitere natürliche Ressourcen und in der Folge auch der Kreis von (Umwelt-)Akteur*innen erweitert wird, die mit der Umsetzung der Strategie befasst sind. Die Ziele würden mindestens eine absolute Entkopplung, wenn nicht sogar Obergrenzen der Ressourcennutzung vorsehen. In der Instrumentierung würden folgerichtig Ordnungsrecht und ökonomische Instrumente eine stärkere Rolle spielen. Sowohl für eine absolute Entkopplung als auch für eine Instrumentierung, die darauf abzielt, eine größere Verbindlichkeit oder wirksame Anreize für Ressourcenschonung entlang der Wertschöpfungskette zu schaffen, gibt es nicht nur gute Argumente, sondern auch ein beachtliches Maß an Zustimmung. Ob diese allerdings ausreicht, um die zu erwartenden Konflikte bei einer grundsätzlichen Umorientierung von Ressourcenpolitik auszufechten, scheint im Rahmen der gegenwärtigen Prozesse und Institutionen, in welchen Ressourcenpolitik entwickelt wird, unwahrscheinlich. Für einen grundlegenden Politikwechsel scheint ein externer Impuls erforderlich, entweder aus anderen umweltpolitischen Handlungsfeldern (insbesondere Klimaschutz), von anderen Ebenen (EU, ggf. auch internationale Ressourcenschutzkonvention), von politischer Seite oder aus der Zivilgesellschaft.
Eine Umorientierung zu einer Ressourcenschonungsstrategie könnte beinhalten, dass der thematische Zuschnitt um weitere natürliche Ressourcen und in der Folge auch der Kreis von (Umwelt-)Akteur*innen erweitert wird, die mit der Umsetzung der Strategie befasst sind. Die Ziele würden mindestens eine absolute Entkopplung, wenn nicht sogar Obergrenzen der Ressourcennutzung vorsehen. In der Instrumentierung würden folgerichtig Ordnungsrecht und ökonomische Instrumente eine stärkere Rolle spielen. Sowohl für eine absolute Entkopplung als auch für eine Instrumentierung, die darauf abzielt, eine größere Verbindlichkeit oder wirksame Anreize für Ressourcenschonung entlang der Wertschöpfungskette zu schaffen, gibt es nicht nur gute Argumente, sondern auch ein beachtliches Maß an Zustimmung. Ob diese allerdings ausreicht, um die zu erwartenden Konflikte bei einer grundsätzlichen Umorientierung von Ressourcenpolitik auszufechten, scheint im Rahmen der gegenwärtigen Prozesse und Institutionen, in welchen Ressourcenpolitik entwickelt wird, unwahrscheinlich. Für einen grundlegenden Politikwechsel scheint ein externer Impuls erforderlich, entweder aus anderen umweltpolitischen Handlungsfeldern (insbesondere Klimaschutz), von anderen Ebenen (EU, ggf. auch internationale Ressourcenschutzkonvention), von politischer Seite oder aus der Zivilgesellschaft.
Zum Weiterlesen:
Jacob, Klaus; Postpischil, Rafael; Graaf, Lisa; Keimeyer, Friedhelm; Hirschnitz-Garbers, Martin (2019): Governance einer effizienten und nachhaltigen Ressourcennutzung – Abschlussbericht PolRess II.
Autor*in:
Klaus Jacob